Fährmann-Saga
Joachim B. Schmidt mag Schweizer sein, aber ganz offensichtlich ist er stark mit Island verbunden. Seine beiden "Kalman"-Romane mit ihrem ganz besonderen Protagonisten habe ich sehr gerne gelesen und war daher neugierig auf "Osmann". Das Buch über einen Fährmann Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts ist sowohl historischer Roman als auch Porträt eines sowohl starken, als auch dichtenden Isländers, deutlich düsterer als "Kalman", der mehr ein reiner Tor ist.
Schmidt romantisiert das Island der beschriebenen Ära nicht, gekennzeichnet von Armut und Rückständigkeit, schlechten Lebensbedingungen und hoher Kindersterblichkeit. So manche Dorfhütte verfällt, weil die Bewohner in der Neuen Welt eine bessere Zukunft gesucht haben. Osmann, der Fährmann, bleibt, denn einer muss ja die Menschen über den Fluss setzen. Sowohl Einsamkeit als auch Gastfreundschaft werden geschildert, reichlich Alkohol soll die Kanten des harten Lebens abschärfen, das nicht nur aus körperlicher Plackerei, sondern auch aus Schicksalsschlägen besteht. Ist es da ein Wunder, dass Osmann mit knapp über 40 zunehmend als alter Mann gesehen wird?
Mit der Wucht und Poesie einer isländischen Saga bringt Schmidt in "Osmann" eine Welt zurück, die es - sicher zum Glück für die Menschen - so auch auf der Insel im Nordatlantik nicht mehr geben dürfte. Traditioneller Aberglauben, die Rolle der Dänen in Island und manche noch auf die Wikinger zurückgehenden Sitten wie der traditionelle Ringkampf werden beschrieben, so dass Schmidts Roman nicht nur das Leben des Jon Osmann schildert, sondern en passant noch Wissenswertes über Island teilt.
Die überlebensgroße, tragische wie sympathische Figur des Osman trägt dieses Buch mühelos, die Beschreibungen der rauhen Landschaft, des Klimas und der Lebensverhältnisse sind faszinierend.
Joachim B. Schmidt, Osmann
Diogenes 2025
288 Seiten, 21,99 Euro
9783257615586
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