Geschichte des Sklavenhandels in einem alternativen Universum
Eigentlich stellt Bernardine Evaristo schwarze Protagonisten in den Mittelpunkt ihrer Romane und stellt auch durchaus Genderrollen in Frage. Ihr Buch "Blondes Herz" ist da ein bißchen anders, schreibt sie doch über den kolonialen Sklavenhandel - aber in einem alternativen Universum, in dem die Versklavten weiß und die Sklavenhändler schwarz sind. Die Menschen aus dem als barbarisch und unterentwickelt angesehenem Europa, die aus der Sicht ihrer neuen Besitzer kaum mehr als Tiere sind, werden ins kulturell zweifellos überlegene Afrika verschleppt. Die Auswüchse und Brutalität der Sklaverei hingegen sind dann wieder ganz so, wie wir sie aus den Geschichtsbüchern kennen.
Die Geschichte der Kohlkopfbauerntochter Doris, die heimlich Lesen und Schreiben gelernt hat, sich nicht brechen lässt und ihren Traum von Freiheit nicht aufgibt, ist fesselnd zu lesen. Trotzdem habe ich mich beim Lesen gefragt: Was will Evaristo ihren Leser*innen hier eigentlich sagen? Hält sie sie für so oberflächlich, dass sie die Grausamkeit der Sklaverei erst dann als schrecklich betrachten, wenn es um Protagonisten geht, die dem (weißen) Lesepublikum ähnlich sind? Und angesichts der Tatsache, dass weiße Menschen (ebenso wie schwarze) in allen möglichen Formen und Schattierungen vorkommen: Wieso müssen die Klischee-Weißen eigentlich allesamt blond sein und blaue oder graue Augen haben?
Geht es nur um die umgekehrte Deutungshoheit, was als schön und gut zu gelten hat? Da ich jahrelang in Afrika gelebt habe, sind mir die anderen Schönheitsnormen vielleicht vertrauter als anderen, aber trotzdem - in einem Buch über Sklaverei ist das dann letztlich weniger wichtig (auch wenn es für ein paar satirisch-überzeichnete Momente sorgt) wie das System der Versklavung und der Handel mit Menschen an sich - oder die Frage, wie die Erfahrung von Versklavung über Generationen nachwirkt. Von einer schwarzen Autorin hätte ich jedenfalls erwartet, dass sie bei der authentischen schwarzen Erfahrung bleibt. Insofern bleibt am Ende, jedenfalls bei mir, Veriwrrung.
Bernardine Evaristo, Blondes Herz
Klett-Cotta 2025
288 Seiten, 25 Euro
9783608502756
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