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Es werden Posts vom Februar, 2023 angezeigt.

Liebeserklärung, Abrechnung und Überlebenden-Biografie

 Fordernde, mitunter übergriffige, nicht loslassende, vorwurfsvolle und schnell beleidigte Mütter sind - dem Klischee der jiddischen Mamme und etlichen Serien-Übermüttern zum Trotz - keine rein jüdische Besonderheit. Allerdings, falls besagte Mutter obendrein Holocaust-Überlebende ist, kommen Vorwürfe dazu, die dem Nachwuchs ein geballtes Maß an Schuldgefühlen aufbürden, die  gojim-Kinder nie gekannt haben. Zum Beispiel: Für so was habe ich überlebt! All die Familienangehörigen, die ich verloren habe, und statt dessen habe ich nun jemand wie dich! Mal ganz abgesehen vom transgenerationalem Trauma, das weitergegeben wird. Mit seinem Buch "Mameleben" hat Michel Bergmann seiner Mutter Charlotte ein literarisches Denkmal gesetzt, in dem die widersprüchlichen Gefühle deutlich und nachvollziehbar werden. Denn so nervtötend die eigene Mutter auch sein kann, man kommt nicht ganz los auch dieser Beziehung, ist von frühen Kindheitserfahrungen geprägt fürs Leben. So ist "Mameleben...

Von Fernweh und Chancen

 Beim Lesen von "Öfter mal die Welt wechseln" von Armin Geiges hatte ich ein echtes Deja vu Erlebnis, erinnerte mich Art und Ton des Buches doch stark an Veranstaltungen meiner Studentenzeit. Leitende Redakeure machten in Zeiten großen Andrangs auf die Medien bei Veranstaltungen wie "Magisterstudium - und dann?" Vorschläge wie: Fahren Sie doch einfach mal ins nächste Krisengebiet und bieten Sie von dort Geschichten an. Die nächsten, damals aktuellen Krisengebiete waren unter anderem El Salvador und Nicaragua. Mal eben so hinzufliegen wäre mir schon allein finanziell nicht möglich gewesen. Geiges dagegen zog es im Wendejahr 1989 nach Moskau und er knüpfte Kontakte mit Medienvertretern, die sich dann auch in der Folgekarriere immer wieder als einträglich wie auch erfolgreich erwiesen. Vermutlich kein Wunder, wenn er also im Rückblick auf sein Globetrotter- und Expatleben - unter anderem als Stern-Korrespondent in  China, für Spiegel-TV und RTL unterwegs in Russland, v...

Wenn die Gen Z erwachsen werden muss....

 Für eine Coming of Age Geschichte ist die namenlose Ich-Erzählerin aus "Ohne mich" von Esther Schüttpelz mit Mitte 20 bereits zu alt. Das Studium der Rechtswissenschaften steht vor dem Abschluss, die kurze, eher spontan eingegangene Ehe ist sehr schnell gescheitert. Die Protagonistin hadert mit ihrem Leben, kifft, kokst, feiert und  geht die praktische Arbeit im Referendariat eher entspannt an. Das Leben muss nicht zu ernst genommen werden. Im Zweifelsfall geht es zur Herkunftsfamilie und lässt sich von Mama aufpäppeln, weil das Verwaltungspraktikum langweilig ist und man sich lieber krank meldet.  Ich gebe zu - mit diesem Buch und seiner Protagonistin wurde ich einfach nicht warm. Vermutlich gehöre ich auch nicht zur Zielgruppe, vielleicht ist es für Gen Z-Leserinnen eine Offenbarung. Ich sah da nur die Luxusprobleme unreifer Bürgerskinder, die nie um etwas kämpfen mussten - außer vielleicht um die Beziehung, aber auch da schien die Protagonistin nicht so wirklich zu wi...

Toxische Paardynamik unter Segeln

  Ein Kriminalroman ist "In blaukalter Tiefe" von Kristina Hauff nicht, spannend ist das Buch über zwei Paare und einen Skipper, aus wechselnden Perspektiven erzählt, dennoch. Denn der romantische Segeltörn zum schwedischen  Schärengarten wird zu einem handfesten Psychodrama. Sehr unterschiedliche Charaktere, Ambitionen und Träume prallen an Bord der Yacht mit all ihrem begrenzten Raum und fehlenden Rückzugsmöglichkeiten zusammen, der Sturm, der am Ende auch die Wetterlage eskalieren lässt, trägt das Seinige dazu bei.  Für das Powerpaar Caroline und Andreas ist der Törn ein langgehegter Traum. Caroline, Chefredakteurin eines Lifestyle Magazins, hat schon lange von einem Urlaub in den Scherengärten geträumt. Andreas, Wirtschaftsstrafverteidiger und ein typisches Alphatier, erhofft sich bei Segelromantik auch wieder harmonischeres Fahrwasser für die Ehe, denn zwischen dem Paar ist Entfremdung gewachsen. Eigentlich keine gute Idee, unter diesen Umständen die Reise auch noch ...

Zwangsehe und Kampf um Liebe im ländlichen Indien vor 100 Jahren

 Punjab im Jahr 1929 - in der britischen Kolonie Indien gärt es, die Unabhängigkeitsbewegung sucht nach Freiheitskämpfern, doch auch das Miteinander von Muslimen, Hindus und Sikhs ist nicht konfliktfrei. Vieles bleibt hingegen ganz traditionell, arrangierte Ehen etwa. Die junge Mehar wurde bereits im Alter von fünf Jahren verlobt, zehn Jahre später steht Hochzeit an. Wir würden heute von der Zwangsverheiratung eines Kindes sprechen.  In seinem Roman "Das Porzellanzimmer" verarbeitet der britische Schriftsteller Sunjeev Sahota, dessen Vorfahren aus dem Punjab stammen,  ein Stück indischer Kolonialgeschichte, aber auch Erfahrungen des Aufwachsens als Kind der südasiatischen Minderheit in der weißen und oft feindseligen Mehrheitsgesemmschaft. Wie wenig im Punjab des frühen 20. Jahrhunderts beim Thema Heirat  irgendwelche Gefühle eine Rolle spielen, wird schon daraus ersichtlich, dass Mehars Schwiegermutter Mai alle ihre drei Söhne am gleichen Tag verheiratet - so lässt ...

Der Flirt mit dem Tod

 Am 50.Geburtstag blickt man schon mal zurück auf ein ganzes Stück Leben und ahnt: fünf Jahrzehnte Lebenszeit bleiben nicht mehr. Aber muss deshalb gleich der Sensenmann an der Tür klopfen?`Die Berliner Psychotherapeutin Liv ist jedenfalls ziemlich irritiert angesichts des gutaussehenden Mannes, der mit Flattercape und Sense an ihrer Tür klopft. Falsche Adresse, er wollte zu der alten Dame ein paar Stockwerke über Livs Praxis - und die ist kurz darauf tot. Da kommt frau schon mal ins Grübeln, zumal der Mann auch wenig später in einem Biergarten ausgerechnet auftaucht, während ein Besucher einen tödlichen Schlaganfall erleidet. Kein Zufall, versichert Zino, der nicht nur wie ein griechischer Gott aussieht, sondern auch einer ist. Hinter der Fassade des fröhlichen Griechen steckt eigentlich der Gott Thanatos, zuständig für einen leichten Tod und verwandt mit Hades und all den anderen für die antike Unterwelt zuständigen Göttern. Anfangs fällt es Liv schwer, seine Behauptungen ernst z...

Doppeltes Spiel im nordirischen Bürgerkrieg

  Für ein Mädchen aus einer Sozialwohnung in Andersontown, neben der berühmten Falls Road eines der bekanntesten katholischen Ghettos in Belfast während des blutigen Bürgerkriegs, hat Tessa es weit geschafft: Sie arbeitet als Produzentin politischer Sendungen für die BBC in der nordirischen Hauptstadt. Nicht alle in ihrer alten Nachbarschaft finden das gut. Doch während Tessa die jahrhundertelange Diskriminierung der katholisch-irischen Bevölkerung durch angelsächsische Protestanten durchaus wahrnimmt, liegt ihr politischer Aktivismus fern.  Als alleinerziehende Mutter konzentriert sie sich ganz auf ihren kleinen Sohn Finn, der mit seinen acht Monaten noch ganz auf sie angewiesen ist. Und auch mit ihrem Leben in einem überwiegend protestantischen Dorf außerhalb von Belfast hat sie sich von den "troubles" entfernt. Bis sie eines Tages in einer Nachrichtensendung ein Foto ihrer Schwester Marian mit einem Fahndungsaufruf sieht. Die Rettungssanitäterin war an einem IRA-Überfall a...

Von Trump-Anhängerinnen undWaffenbesitzerinnen - Amerikas konservative Frauen

 Spätestens seit der "Grab them by the pussy"-Äußerung scheint es aus europäisch-liberaler Perspektive völlig unverständlich, warum sich Frauen für Donald Trump nicht nur begeistern, sondern ihm sogar ihre Stimme geben. In ihrem Buch "Guns ´n ´Rosé" über den wachsenden Einfluß konservativer Frauen zeigen die beiden USA-Korrespondentinnen Annett Meiritz und Juliane Schäuble (ja - Tochter von Wofgang S.), wie sich nicht nur die US-Gesellschaft zunehmend polarisiert, sondern wie auch die sicher geglaubte weibliche Wählerschaft der Demokraten wegbröckelt.  Ob schwarz und konservativ, ob evangelikal und ländlich, Latina und werteorientiert - es sind längst nicht mehr nur die WASP-Frauen mit Perlenkette, die hier porträtiert werden. Manches lässt sich vermutlich mit dem American Spirit erklären, dem der Wohlfahrtsstaat mit sozialem Netz, der für uns eine selbstverständiche und geforderte Errungenschaft ist, so vehement abgelehnt wird. Es gilt halt, aus eigener Kraft alles...

Innenblick auf den BND - Mister Hizballah erzählt

 Dass James Bond ein reines Phantasieprodukt ist und Spione ein ganz anderes Leben haben als der Leinwandheld mit der Lizenz zum Töten - das ist wohl auch den Fans des Genres klar.  Mit seinem Buch "Keine Lizenz zum Töten" räumt Gerhard Conrad mit den gängigen Klischees über das Leben in mehr oder weniger geheimer Mission auf. Der Mann weiß, wovon er spricht - schließlich war er jahrelang Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) und hatte hohe Positionen im Nachrichtenwesen auch auf europäischer Ebene inne. Damit ist schon mal klar: Alles, was Conrad in dem Buch über sein Agentenleben berichtet, ist vermutlich stark gefiltert und schildert nur Fälle, die ohnehin bereits öffentlich bekannt sind oder die zumindest nicht mehr als Staatsgeheimnis  gelten. Diskretion als oberstes Gebot eines Nachrichtendienstlers endet schließlich nicht mit dem Eintritt in den Ruhestand. Der Politik- und Islamwissenschaftler Conrad war gewissermaßen zur richtigen Zeit am richtigen Ort, ...

Liebe, Drama, Schicksalsschläge

Liebe auf den ersten Blick, versehen mit Drama und Schicksalssclägen - da kann sehr leicht ein seichter, kitschiger Liebesroman rauskommen. Muss aber nicht sein, so bei "Die Liebe an miesen Tagen" von Ewald Arens. Es sind einmal mehr die starken, ein wenig spröden Frauenfiguren dieses Autors, die ein Abgleiten ins Sentimentale verhindern. So ist die Geschichte eingängig zu lesen, bietet gewissermaßen was fürs Herz, wird aber niemals seicht. Schauspieler Elias ist einer, der das Leben eher leicht nimmt. Aus einer frühen, eigentlich einzigen ernsthaften Beziehung und viel zu frühen Ehe ist die heute 17 Jahre alte Tochter Jule hervorgegangen. Die Beziehung zu seiner derzeitigen Freundin Vera hatte von Anfang an auf seiner Seite nicht viel mit Verliebtsein zu tun und jetzt überlegt er schon, wie er am besten Schluss machen soll, als sie ihn zur Besichtigung eines alten Häuschens auf dem Land mitschleppt. Die Besitzerin ist Clara, frisch arbeitslose Fotografin Ende 40, schlagferti...